Das Fach „Anatomie und Morphologie“ gehört zum interdisziplinären Grundlagenstudium an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig und ist ein zentraler Bestandteil des künstlerischen Naturstudiums. Es bietet die Möglichkeit anatomische Sachverhalte zu begreifen und eine entsprechende bildnerische Umsetzung zu erproben.
Die Interpretation der Natur durch die Kunst ist im Gegensatz zur Wissenschaft kein objektiv analytischer Prozess und verläuft dementsprechend weniger gradlinig. Das Wissen um anatomische Form- und Funktionszusammenhänge kann einen Einstieg in die faszinierende Formenwelt der lebendigen Gestalt sein und Impuls und Anregung für das eigene bildkünstlerische Schaffen geben. Dabei zeigt sich, dass organische Formbildung und künstlerische Formfindung wesensverwandt sind, oder sich zumindest sehr nahe stehen. In den vielfältigen Vorgänge der Morphogenese widerspiegelt sich etwas Exemplarisches, das sich den Schematas von Figürlich und Nichtfigürlich, Gegenständlich und Abstrakt entzieht. Das Wirkungsfeld der „Künstleranatomie“ geht weit über die Proportionslehre und das Aktzeichnen hinaus und kann dem Studierenden unabhängig vom künstlerischen Medium neue Einsichten in scheinbar Vertrautes bieten.
Der Anatomieunterricht an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig bezieht sich in wesentlichen Punkten, insbesondere im Hinblick auf die Anschauungsmodelle, auf die Lehre von Prof. Dr. Manfred Zoller (Kunsthochschule Berlin Weißensee). Ingo Garschke hat von 1987 bis 1989 bei Manfred Zoller studiert und sieht sich in dessen Schülerschaft. Seit 1998 lehrt Garschke Anatomie für Kunststudenten in Leipzig. Neben dem Aufbau einer umfangreichen anatomischen Sammlung ist es ihm gelungen den Anatomieunterricht als künstlerische Grundlagenlehre fachübergreifend zu verankern. Die Einbeziehung von Präparierkursen und Lehrsektionen dienen nicht nur der Anschaulichkeit sondern bieten den direkten Einstieg in ein sehr komplexes Themenfeld. Unter anderem tut sich hier eine Verbindung zur wissenschaftlichen Illustration auf. Im Spannungsfeld zwischen Wissenschaft und Kunst kann das Lehrfach „Anatomie und Morphologie“ an einer Kunsthochschule eine wesentliche Rolle bei der Beschreibung und Deutung der menschlichen Gestalt einnehmen.
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